Anfrage Amtsanmaßung Thomas Naulin (AfD)

Regionale und nationale Medien berichteten über den Vorfall: Am 20.02.2025 gegen 7:30 Uhr wurden drei Wahlkämpfer:innen von BÜNDNIS 90/Die Grünen auf dem Bürgersteig vor dem Bahnhofsgelänge Bergen auf Rügen durch die Polizei Bergen widerrechtlich des Platzes verwiesen. Initiiert hatte den Vorfall ein Passant, der sich als Stadtvertreter Bergens vorstellte und behauptet das Verteilen von Infomaterial bedürfe einer Genehmigung, die vorzulegen wäre. Nachdem dieser ein Telefonat – nach seiner eigenen Aussage gegenüber den Wahlkämper:innen mit dem Stadtpräsidenten Bergens, Herrn Thomas Naulin – geführt hat, kündigte er das baldige Eintreffen einer Polizeistreife an. Die wenige Minuten später eintreffenden Polizeibeamten erklärten, sie handelten auf Weisung der Stadt und erteilten einen Platzverweis gegenüber den Wahlkämpfenden.

Das gezielte Ansprechen von Passanten im Straßenwahlkampf ist eine erlaubnisfreie kommunikative Nutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs. Das gilt auch für das unentgeltliche Verteilen von Zeitschriften mit dem Schwergewicht auf Meinungsäußerungen (s. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage, Seite 164, Rn. 329 mit Bezugnahme auf VGH München, Urteil vom 22.06.2010 – 8 B 10.97 – und OVG Lüneburg, Urteil vom 13.11.1995 – 12 L 1856/93, NVwz-RR 1996, 247). Das bloße Verteilen bedarf also keiner Sondernutzungserlaubnis, wie es der Bergener Stadtvertreter und die Polizei behaupteten. Der ausgesprochene Platzverweis war also nicht rechtmäßig. Eine Entschuldigung der Polizei gegenüber BÜNDNIS 90/Die Grünen wegen des Vorfalls wurde ausgesprochen.

Aufgrund der Angaben der Person, die sich als Stadtvertreter der AfD ausgegeben hat und der Mitteilung eines Telefonats mit dem Stadtpräsident der Stadt Bergen und Vorsitzenden der AfD-Kreistagsfraktion Thomas Naulin unter Ankündigung des Eintreffens einer Polizeistreife sowie dem zeitlich unmittelbar damit zusammenhängenden tatsächlichen Erscheinen der gerade wegen dieser Wahlkampaktion erscheinenden Polizeibeamten, liegt es nahe, dass der Stadtpräsident der Stadt Bergen und Vorsitzende der AfD-Kreistagsfraktion Thomas Naulin Einfluss auf die Polizei ausgeübt hat, um die Wahlkampfaktion durch das unrechtmäßige Beauftragen der Polizeistreife im Namen der Stadt zu verhindern. Sollte eine „Beauftragung“ der Polizei durch den Stadtpräsidenten erfolgt sein, könnte darin eine Amtsanmaßung im Sinne von § 132 StGB zu sehen sein.

Gemäß KV MV §78 (2) und §79 (2) ist der Landrat als Rechtsaufsichtsbehörde der kreisangehörigen Gemeinden beauftragt die Rechtmäßigkeit der Verwaltung sicherzustellen.

Und hier folgt die Antwort vom Landrat zu unserer Anfrage:

  1. Ist dem Landrat der unten beschriebene und in den Medien teilweise bereits veröf- fentlichte Sachverhalt bekannt?
  2. Hat der Landrat als Rechtsaufsichtsbehörde der kreisangehörigen Gemeinden ge- prüft, ob der Stadtpräsident Bergen und Vorsitzender der AfD-Fraktion Thomas Naulin an dem genannten Sachverhalt beteiligt und möglicherweise amtsanmaßend gehandelt hat?
  3. Wenn ja, welche Ergebnisse hat diese Prüfung ergeben? Und welche Konsequenzen erfolgen aus diesen Erkenntnissen?
  4. Wenn nein, ist eine solche Prüfung noch beabsichtigt bzw. warum hält der Landrat eine solche Prüfung für nicht notwendig?

Der unteren Rechtaufsichtsbehörde des Landkreise Vorpommern-Rügen ist der Vorgang bisher nicht bekannt gewesen. Eine offizielle Beschwerde ist nicht eingegangen und der Sachverhalt ist nicht geprüft worden.

Die untere Rechtsaufsichtsbehörde des Landkreises Vorpommern-Rügen wird sich zunächst über die jetzt bekannten Umstände informieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Stefan Kerth Landrat