Anfrage: Anstieg rechtsradikaler Gewalt im LK VR

Mit großer Besorgnis verfolgen wir die Entwicklung rechtsradikaler Übergriffe im Landkreis Vorpommern- Rügen. Bei politisch motivierten Delikten von rechts gab es 2024 einen Anstieg um 59% zum Vorjahr, laut jährlich erscheinender PMK-Statistik aus dem Ministerium für Inneres, Bau und Digitalisierung (1). Laut der aktuellen Statistik von Lobbi MV2 verzeichnet unsere Region neben Rostock die höchsten Zahlen rechtsradikaler Übergriffe im Landesvergleich. Die Angriffe haben sich zum Vorjahr in unserem Landkreis verdreifacht. Ein Drittel aller Vorfälle betrifft Kinder und Jugendliche, die sich mit rechtsradikalen Übergriffen konfrontiert sehen. Nicht weiß zu sein, nicht Deutsch zu sprechen in der Öffentlichkeit oder sich für Menschenrechte und Minderheiten einzusetzen, birgt Risiko angegriffen zu werden. Diese beunruhigende Tendenz, gepaart mit dem parallel zu beobachtenden signifikanten Anstieg beantragter kleiner Waffenscheine, gibt Anlass zu erheblicher Sorge.

Wir bitten um eine zeitnahe und umfassende Beantwortung dieser Fragen, da wir der Überzeugung sind, dass dem Erstarken rechtsradikaler Strukturen in unserem Landkreis mit entschiedenen demokratischen Maßnahmen begegnet werden muss. Demokratie und Toleranz sind keine Selbstverständlichkeit, sondern bedürfen unserer gemeinsamen und kontinuierlichen Anstrengung.

1 https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/im/Presse/?id=210409&processor=processor.sa.pressemitteilung
2 https://lobbi-mv.de/rechte-gewalt-2024-besorgniserregende-dynamik/

1. Welche Faktoren sieht der Landrat als ursächlich für den Anstieg rechtsradikaler
Übergriffe in unserer Region?

Die benannten Quellen, die den Anlass der Anfrage stellen, lassen keinen eindeutigen Rück-
schluss auf einen tatsächlichen Anstieg rechtsradikaler Übergriffe im Landkreis Vorpommern-
Rügen zu. Die Pressemitteilung von Innenminister Christian Pegel nimmt Bezug auf die Zahlen
zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) im gesamten Bundesland Mecklenburg-Vorpom-
mern ohne Verweis auf einen Anstieg im Landkreis Vorpommern-Rügen.
Der Jahresbericht 2024 von Lobbi e. V. enthält keine Quellenangaben und entspricht nicht
den Standards einer validierten Statistik. Unklar ist zudem auch, ob die erwähnte Verdreifa-
chung von Angriffen auf ein erhöhtes Melde- und Rechercheverhalten zurückzuführen ist oder
ob es im Zeitraum 2024 tatsächlich zu einer Verdreifachung der Tatbestände gekommen ist.
Lobbi e. V. benennt keine Standards nach denen Delikte als rechtsmotivierte Straftaten ein-
gestuft werden dies obliegt im Einzelfall der subjektiven Einschätzung des jeweiligen Mitar-
beitenden. Eine Validierung durch Dritte, beispielsweise der Polizeiinspektion Stralsund, fin-
det nicht statt. Durch die intransparente Methodik der Datenerhebung fehlt die Möglichkeit,
die Angaben zu den Übergriffen nachzuvollziehen.

2. Welche konkreten Maßnahmen wurden bisher ergriffen oder sind geplant, um dem
weiteren Anstieg rechtsradikaler Übergriffe in unserem Kreis entgegenzuwirken?
Was tut der Landrat, um Minderheiten in unserem Landkreis vor rechter Gewalt zu
schützen?

Durch Vernetzung, Organisation von Veranstaltungen, Unterstützung von Projekten (finanziell)
stärkt die Kreisverwaltung die gesellschaftlichen Initiativen gegen Rechtsradikalismus im
Landkreis Vorpommern-Rügen folgendermaßen:
• Kommunaler Präventionsrat (Zusammenschluss verschiedener Institutionen und Organisa-
tionen), um die gesamtgesellschaftliche Präventionsarbeit voranzubringen.
• Es werden zum einen Präventionsprojekte finanziell unterstützt, z.B. Projekte im Rahmen
der Interkulturellen Woche (Information, Austausch, Begegnungen), Projekte zur Stärkung
der Konfliktfähigkeit oder auch Sportveranstaltungen unter dem Motto „Sport statt Ge-
walt“.
• Zum anderen werden eigene Projekte umgesetzt, wie „Eh Alter“, ein Jugendprojekt ge-
gen Gewalt. Des Weiteren werden Veranstaltungen, wie z.B. Fachtage organisiert. Zu-
letzt fand ein Fachtag zur Stärkung demokratischer Schlüsselkompetenzen mit Workshops
zur Gewaltprävention, Demokratie und digitalen Sicherheit statt.
• Integrationsbeauftragte sowie fünf Koordinierungsstellen in den Sozialräumen Stralsund,
Rügen, Grimmen, Barth und Ribnitz-Damgarten.
• Runde Tische Integration zur Vernetzung, zum Austausch bei Problemlagen sowie Fallbe-
ratung.

3. Welche präventiven Konzepte verfolgt der Landkreis, um insbesondere junge Men-
schen und Kinder vor rechter Radikalisierung zu schützen?

Präventive Konzepte für einen Schutz vor rechter Radikalisierung im Landkreis Vorpommern-
Rügen sind:
• die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit über die Jugendförderrichtlinie (u.a. Bil-
dungsangebote außerhalb der Schule, internationale Jugendarbeit, Sport, Jugendtreffs,
etc.)
• Förderung von Präventionsprojekten über den Kommunalen Präventionsrat, u.a. zur Stär-
kung der Konfliktfähigkeit, Gewaltprävention, Stärkung des sozialen Lernens
• Beteiligungsformate für Kinder und Jugendliche (Jugendgremium, Projekt Sozialraumkids)
• Für 2025 ist ein Fachtag zum Thema Integration und Inklusion geplant
4. Wie bewertet der Landrat den Zusammenhang zwischen dem Anstieg rechtsradikaler
Vorfälle und der erhöhten Nachfrage nach kleinen Waffenscheinen?
Es erscheint fraglich, wieso ein Zusammenhang zwischen rechtsradikaler Gewalt und einer er-
höhten Anzahl an Neuanträgen kleiner Waffenscheine (KWS) hergestellt wird und aufgrund
welcher kumulativen Fakten dieser begründet wird.
Aus der Aktenlage ergibt sich zunächst, dass die Anzahl der Neuanträge KWS seit 2018 leicht
ansteigt. Darüber hinaus kann aus waffenrechtlicher Sicht eine Ausstellung bzw. ein Nicht-Wi-
derruf eines KWS an eine rechtsradikale Person nahezu ausgeschlossen werden:
Ein KWS ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, für die die antragstellende Person die Vorausset-
zungen nach § 4 WaffG erfüllen muss, dazu insbesondere die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG.
Zur (waffenrechtlichen) Zuverlässigkeit gehört u.a., dass bei allen Antragstellen den auch zu
überprüfen ist, ob bei ihnen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten
fünf Jahren „gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche
Zusammenleben der Völker, gerichtet sind“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 a bb WaffG).
Hierzu ist durch die Waffenbehörde gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG Auskunft bei der zuständi-
gen Verfassungsschutzbehörde einzuholen. Sollten dort entweder Erkenntnisse vorliegen, dass
• eine Person als gesichert rechtsextrem eingestuft ist (REX)
oder
• ein entsprechender Verdacht aufgrund von Nachweisen besteht
führt dies in der Regel zur Unzuverlässigkeit dieser Person. Entweder wird dann keine Erlaub-
nis erteilt oder eine bestehende Erlaubnis widerrufen. Nach alledem kann daher diesseits un-
termauert werden, dass bei rechtsradikalen Personen in der Regel keine waffenrechtlichen
Erlaubnisse vorliegen und etwaige Straftaten meist mit illegal beschafften und/oder verbote-
nen Waffen begangen werden.

5. Wie stärkt die Kreisverwaltung zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsradika-
lismus in der Region nachhaltig

Zur Beantwortung der Frage verweisen wir auf die Beantwortung in der Frage 2.